Behandelte Vorlagen
Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen im Zweiten Sozialgesetzbuch 19/29742
Antrag der Fraktion der AfD - Armutsbekämpfung bei Rentnern –Einführung eines 25-Prozent-Freibetragesin der Grundsicherung 19/29768
Antrag der Fraktion DIE LINKE. - Grundsicherungskürzungen bei Rentnerinnen und Rentnern verhindern 19/24454
Antrag der Fraktion DIE LINKE. - Hartz IV überwinden –Sanktionsfreie Mindestsicherung einführen 19/29439
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Garantiesicherung statt Hartz IV –Mehr soziale Sicherheit während und nach der Corona-Krise 19/25706
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Die Corona-Pandemie hat gezeigt, welch zentrale Bedeutung ein guter Sozialstaat für den Einzelnen wie auch für den Zusammenhalt in der Gesellschaft hat. Die Krise hat aber vor allem auch Problemlagen deutlich aufgezeigt. Abhängig Beschäftigte waren und sind auf Kurzarbeitergeld und (Solo-)Selbstständige auf Überbrückungshilfen oder auf existenzsichernde Leistungen des Staates angewiesen. Die zahlreichen Minijobber*innen hatten weder Anspruch auf Kurzarbeitergeld noch auf Überbrückungshilfen. Für viele Menschen existiert kein Anspruch auf Arbeitslosen-oder Kurzarbeitergeld oder dieses ist so niedrig, dass zusätzliche staatliche Leistungen beantragt werden müssen. Der Zugang zu existenzsichernden Leistungen wurde deshalb während der Coronakrise vom Gesetzgeber erleichtert und auf eine Vermögens- und Wohnraumprüfung verzichtet.
Allerdings waren auch vor der aktuellen Krise die negativen Folgen der Hartz IV-Gesetze bereits gravierend. Langzeitarbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung sowie Armut bei Arbeit und im Alter haben erheblich zugenommen. Wenn in Deutschland jede*r fünfte Vollzeitbeschäftigte einen Niedriglohn erhält, nach wie vor knapp sieben Millionen Menschen in einem Minijob ohne Sozialversicherungsschutz beschäftigt sind und 200.000 Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung auf sogenannte existenzsichernde Leistungen angewiesen sind, dann treten die Schwachstellen des Sozialstaates offen zu Tage. Der Mindestlohn schützt trotz Arbeit weder vor prekären Lebensverhältnissen noch vor Altersarmut. Die Hartz IV-Gesetze und die Sanktionspraxis setzen Arbeitnehmer*innen unter Druck, sich an schlechte Arbeitsbedingungen anzupassen und auf ihre arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche zu verzichten. Hartz IV ist zum Synonym für Abstieg und Armut in Deutschland geworden.
Vor diesem Hintergrund sehen wir im Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) seit längerem dringenden Handlungsbedarf und haben im Positionspapier „Inklusion statt Hartz IV" (2014) sowie im Forderungspapier „Menschen fördern – Hartz IV überwinden“(2019) Forderungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt vorgelegt:
- Das gesamte System von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II muss dahingehend neugestaltet werden, dass die Arbeitslosenversicherung wieder vorrangiges Sicherungssystem ist.
- Die Übergänge vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II müssen finanziell abgefedert werden.
- Das rigide Hartz IV-System muss im Rahmen einer Generalrevision überwunden werden.
Die vorgelegten Gesetzentwürfe und Anträge zielen im Wesentlichen auf eine das Existenzminimum abdeckende, bürokratiearme und wenig stigmatisierende Neugestaltung der Grundsicherungssysteme sowie eine Stärkung des vorgelagerten Sicherungssystems der Arbeitslosenversicherung ab. Insbesondere die Anträge 19/29439 und 19/25706 setzen an einer Vielzahl richtiger Stellschrauben an, zu denen der SoVD seit vielen Jahren Forderungen erhebt.Wenn auch die Maßnahmen der vorgelegten Anträge angesichts der verbleibenden Zeit in der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr umsetzbar sein werden, so bilden sie jedoch eine gute Grundlage für notwendige Reformen in der kommenden Legislaturperiode.
Einschätzung zu einzelnen Forderungen im pdf