1 Zusammenfassung des Verordnungsentwurfs
Mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf sollen die Regelbedarfsstufen im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und die Regelbedarfe im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zum 1. Januar 2022 sowie die Bedarfe für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf für die beiden im Kalenderjahr 2022 beginnenden Schulhalbjahre auf Grundlage eines Mischindexes fortgeschrieben werden. Die Veränderungsrate des Mischindexes ergibt sich aus der Berücksichtigung der Veränderungsraten zweier Komponenten, nämlich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung regelbedarfsrelevanter Güter und Dienstleistungen und zu 30 Prozent aus der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter. Beide Veränderungsraten werden nach § 28a Absatz 3 SGB XII vom Statistischen Bundesamt ermittelt.
Nachdem aufgrund der letzten Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) aus 2018, deren Ergebnisse 2020 vorlagen, die zum 01.01.2021 geltenden Regelbedarfe neu ermittelt wurden (Neufestsetzung gemäß § 28 SGB XII), stand in diesem Jahr eine Fortschreibung der Regelbedarfe zum 01.01.2022 an. Auf Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Werte sieht die RBSFV 2022 vor, die Regelsätze zum 01.01.2022 um 0,76 Prozent zu erhöhen. Für die Regelsatzstufen bedeutet das konkret:
2020 | 2021 | 2022 | |
Regelbedarfsstufe I (Alleinstehend / Alleinerziehend) | 432 Euro | 446 Euro | 449 Euro |
Regelbedarfsstufe II (Paare je Partner, Bedarfsgemeinschaften) | 389 Euro | 401 Euro | 404 Euro |
Regelbedarfsstufe III (Erwachsene mit Unterbringung in einer stationären Einrichtungen) | 345 Euro | 357 Euro | 360 Euro |
Regelbedarfsstufe IV (Jugendliche vom 15. bis Vollendung des 18. Lebensjahres) | 328 Euro | 373Euro | 376 Euro |
Regelbedarfsstufe V (Jugendliche vom 15. bis Vollendung des 18. Lebensjahres) | 308 Euro | 309 Euro | 311 Euro |
Regelbedarfsstufe VI (Kinder bis Vollendung des 6. Lebensjahres) | 250 Euro | 283 Euro | 285 Euro |
2 Gesamtbewertung
Die vorgesehene geringfügige Erhöhung der Regelsätze ist blanker Hohn für alle Leistungsbeziehenden. Denn durch die erheblich gestiegenen Preise des täglichen Bedarfs, wird sie de facto zu einer Kürzung für alle Betroffenen führen. Dies konterkariert das eigentliche Ziel des Gesetzgebers, den realen Wert der Leistungen nach dem SGB XII und SGB II durch eine höhere Gewichtung der Preisentwicklung gegenüber der Lohnentwicklung im Mischindex zu sichern und unterstreicht den dringend gebotenen Reformbedarf. Dabei hatte der SoVD bereits in seiner Stellungnahme zum Regelbedarfsermittlungsgesetz gefordert, die Dynamisierung der Regelsätze so auszugestalten, dass der Abstand zwischen
den materiellen Mitteln der Grundsicherungsbeziehenden im Vergleich zu denjenigen der gesellschaftlichen Mitte nicht fortlaufend größer wird.
Darüber hinaus bekräftigt der SoVD seine generelle Kritik am vom Gesetzgeber gewählten Verfahren zur Regelbedarfsneuermittlung, denn es ist grundsätzlich ungeeignet, die tatsächlichen Bedarfe der Betroffenen zu ermitteln und ihnen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewähren. So legt der Gesetz geber für die Ermittlung des Existenzminimums das Ausgabeverhalten derjenigen Haushalte zu Grunde, die selbst am Minimum leben. Zusätzlich werden willkürlich einzelne Ausgabepositionen – aufgrund subjektiver Wertentscheidungen des Gesetzgebers – gestrichen oder gekürzt. Auch einmalige Bedarfe, wie z. B. Waschmaschinen, werden in den Regelbedarfen nicht hinreichend berücksichtigt. Der SoVD fordert daher eine Neuermittlung der Regelbedarfe. Die vorliegenden Daten zum Konsumverhalten einzelner Haushalte müssen mit den tatsächlichen Lebenshaltungskosten abgeglichen werden, um Regelbedarfe festzulegen, die die tatsächlichen Bedarfe der betroffenen Leistungsempfänger*innen abdecken.
Zur Erarbeitung konkreter Vorschläge für die Ermittlung des soziokulturellen Existenzminimums sollte eine interdisziplinäre Sachverständigenkommission eingesetzt werden. Auf diese Weise würde die Ermittlung auf eine breitere (zivilgesellschaftliche) Basis gestellt. Denn die Herleitung der Regelsätze allein durch das Bundesarbeitsministerium, mit anschließendem Bundestagsbeschluss ohne weitere Prüfung, hält der SoVD nicht für sachgerecht. Die Sachverständigenkommission sollte sich aus Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen von Sozialund Wohlfahrtsverbänden sowie Gewerkschaften und Betroffenenorganisationen zusammensetzen.
Berlin, 16. September 2021DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik