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Sozialkompass des SoVD zu den Koalitionsverhandlungen - Soziale Sicherheit in unsicheren Zeiten

Am Donnerstag begannen die Koalitionsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD. Der SoVD ruft die Verhandelnden dazu auf, dabei insbesondere die sozialen Themen in den Blick zu nehmen.

Fassade des Konrad-Adenauer-Haus in Berlin vor blauem Himmel.
In der CDU-Bundesgeschäftsstelle, dem Konrad-Adenauer-Haus, verhandeln Vertreter*innen der Unionsparteien und der SPD über die Bildung einer neuen Bundesregierung. Foto: CDU / Tim Hoffmann

Wahltagsbefragungen haben gezeigt, dass für die Menschen das Thema „Soziale Sicherheit“ das wichtigste Thema für die Wahlentscheidung war - zusammen mit „Innerer Sicherheit“.

Wir bitten die Verhandelnden von CDU, CSU und SPD, sich in den beginnenden Koalitionsgesprächen den konkreten sozialen Themen mit großem Nachdruck zu widmen und besonders folgende Punkte unverzüglich anzugehen:

  • Die Belange von Menschen mit Behinderungen spielen im Sondierungspapier nur eine kleine Rolle. Für eine wirklich inklusive Gesellschaft ist Barrierefreiheit zentraler Dreh- und Angelpunkt. Das Behindertengleichstellungsgesetz muss dahingehend reformiert werden, dass die Privatwirtschaft zu Barrierefreiheit (Restaurants, Banken, Supermärkte etc.) verpflichtet wird.
     
  • Arbeitgeber und Bundesagentur für Arbeit müssen Konzepte entwickeln, wie Menschen mit Behinderungen – auch Menschen, die derzeit in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten – regulär arbeiten können.
     
  • Mit der Krankenhausreform sind erste wichtige Schritte erfolgt, um die Qualität der Versorgung zu verbessern und den Kostendruck in den Krankenhäusern zu verringern. Die Strukturreform muss jedoch aus Steuermitteln finanziert werden. Eine Finanzierung aus Beitragsmitteln der gesetzlich Versicherten ist angesichts der ohnehin überaus angespannten Finanzlage in der gesetzlichen Krankenversicherung unverantwortlich und auch verfassungsrechtlich bedenklich.
     
  • Pflegebedürftigkeit macht arm. Im ersten Heimjahr müssen Bewohner*innen im Schnitt monatlich 2.984 Euro – rund das Doppelte einer monatlichen Durchschnittsrente nach 35 Beitragsjahren - zahlen. Wir brauchen jetzt eine Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile in der stationären Versorgung und zeitnah die im Sondierungspapier angekündigte große Pflegereform.
     
  • Zur Bekämpfung der Wohnungsnot braucht es eine wirksamere Mietpreisbremse ohne Ausnahmen und die konsequente Ahndung von Verstößen. Außerdem braucht es zusätzliche Mittel für den staatlichen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau. 
     
  • Die Grundsicherung muss ein würdevolles Leben und echte soziale Teilhabe garantieren. Arbeitslose brauchen die Unterstützung von gut ausgestatteten Jobcentern und Arbeitsagenturen, um wieder in Beschäftigung zu finden. Vor allem müssen Sozialleistungen für Familien verbessert und zugänglicher werden. Dass mehr als jedes fünfte Kind in Armut aufwächst, ist nicht hinnehmbar.
     
  • Damit auch Haushalte mit geringem Einkommen bei steigenden CO₂-Preisen auf klimafreundliche Technologien umsteigen können, müssen Förderprogramme für sozial Benachteiligte geschaffen und klimaschonende Infrastruktur - wie der ÖPNV und Wärmenetze - ausgebaut werden.
     
  • Es ist gut, dass sich CDU/CSU und SPD in ihrem Sondierungspapier auf die Stabilisierung des Rentenniveaus verständigt haben. Perspektivisch muss das Rentenniveau jedoch schrittweise wieder auf 53 Prozent angehoben werden.
     
  • Eine künftige Regierungskoalition muss in der Alterssicherung einen ersten Schritt hin zu einer Erwerbstätigenversicherung gehen, in die ausnahmslos alle Erwerbstätigen einbezogen werden. Auf eine bessere Absicherung von Selbständigen müssen auch Mandatsträger*innen, Beamt*innen und die Versicherten der berufsständischen Versorgungswerke folgen.
     
  • Damit alle Menschen von ihrer Arbeit leben können, muss der gesetzliche Mindestlohn 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen und demnach mindestens auf 15 Euro angehoben werden.
     
  • Gut ist, dass eine Stärkung von Kitas und Schulen und ein Familienbudget für Alltagshelfer*innen vorgesehen ist. Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht es darüber hinaus eine Weiterentwicklung des Elterngeldes, eine Entgeltersatzleistung für pflegende Angehörige sowie eine bezahlte Freistellung für Väter rund um die Geburt eines Kindes.
     
  • Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern liegt bei 16 Prozent. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit kann nur erreicht werden, wenn mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickelt wird. Das Gesetz muss auch für Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten Anwendung finden.
     
  • Nur 203 von 640 Abgeordneten im neu gewählten Bundestag sind Frauen. Politik wird dadurch vorwiegend von Männern gestaltet. Das ist ein Demokratiedefizit. Wir brauchen daher ein Paritätsgesetz, weil Frauenrechte zunehmend zurückgedrängt werden. 
     
  • Die Reform der Schuldenregeln ist ein richtiger Schritt, um dringend benötigte soziale Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu bringen. Um sozial ausgewogene Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen langfristig zu sichern, braucht es jedoch eine Steuerreform, mit der Vermögende und Besserverdienende einen höheren Beitrag leisten.

Wir sind überzeugt: Wer die soziale Sicherheit der Menschen stärkt, schwächt radikale und populistische Kräfte. Alle Kernforderungen des Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD) sind unter folgendem Link abrufbar.